Planetenwetter: Rätsel um Jupiterstürme gelöst
Neue Computersimulation erfasst Ursachen der planetaren Sturmsysteme
(jv) - Mit mehr als 600 km/h durchpflügen heftige Stürme die Atmosphäre des Planeten Jupiter, formen gewaltige Wolkenbänder, Wirbel und Schlieren und lassen den Gasriesen auf Bildern wie ein abstraktes Gemälde erscheinen. Langgestreckte Bänder unterschiedlicher Farbnuancen kennzeichnen die Gebiete der rasantesten Windgeschwindigkeiten, kleine Verwirbelungen an ihren Rändern lassen die gewaltigen Turbulenzen erahnen, welche die brodelnde Wetterküche des Gasriesen zu einem der stürmischsten Orte unseres Sonnensystems machen. Selbst im Randbereich des "Großen Roten Flecks", einem gigantischen Hochdruckgebiet von doppelter Erdgröße, rotieren die Wolkenmassen noch mit der Wucht eines starken, irdischen Hurrikans.
© by NASA Photojournal
Der Planet Jupiter und seine sturmgepeitschten Wolkenbänder- und Wirbel, aufgenommen von der Raumsonde CASSINI am 7. Dezember 2000. Rechts im Bild erkennt man den "Großen Roten Fleck", links kann man den dunklen Schatten des Mondes "Europa" auf Jupiters Wolken erkennen, der hier gerade zu einer Sonnenfinsternis führt.
Jahrzehntelang rätselten die Forscher, wie es zur Bildung dieser gewaltigen Sturmsysteme kommt, die sich trotz ständigen, kleinräumigen Umgestaltungen in ihrer Gesamtheit oft Jahre, ja sogar Jahrzehnte lang halten können. Der Rote Fleck wurde sogar schon vor 300 Jahren entdeckt und hat sich seither in Lage und Ausdehnung nur unwesentlich verändert. Zahlreiche Erklärungsversuche dieser extrem turbulenten Bedingungen scheiterten daran, dass die Überlegungen immer wieder an den Bedingungen und Gesetzmäßigkeiten unserer Erde Maß genommen hatten. Aber für eine Übertragung der Ursachen irdischer Stürme auf die gigantischen Sturmzonen des Jupiter ist die Erdatmosphäre mit nur wenigen Hundert Kilometern Höhe einfach zu dünn und die irdischen Wettervorgänge spielen sich sogar nur in den untersten 10 bis 15 Kilometern der Atmosphäre ab.
Bei Jupiter liegen die Verhältnisse völlig anders: Der größte Planet unseres Sonnensystems hat keine feste Oberfläche. Seine im wesentlichen aus Wasserstoff und Helium bestehenden Gasmassen werden mit zunehmender Tiefe lediglich immer dichter und nehmen Tausende von Kilometern unterhalb der Wolkenobergrenze aufgrund des gigantischen "Luftdrucks" irgendwann metallische Eigenschaften an. Deshalb müssen für eine korrekte Erfassung der Windstrukturen einer solchen Gaskugel auch die Verhältnisse einer mehrere Tausend Kilometer mächtigen Gasschicht berücksichtigt werden. Und genau auf diese Weise ist es einem internationalen Forscherteam nun gelungen, die Ursachen der gewaltigen Sturmbänder des Jupiter mit Hilfe einer neuen Computersimulation zu erklären. Sie veröffentlichten ihre Ergebnisse jetzt in der aktuellen Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift "Nature".
© by NASA/JPL University of Arizona - durch Klick ins Bild erhalten Sie eine größere Auflösung der Animation
Die Einzelbilder dieser faszinierenden NASA-Animation wurden von der Raumsonde CASSINI Ende Oktober 2000 beim Vorbeiflug an Jupiter aufgenommen. Sie erstrecken sich über einen Zeitraum von 9 Erdentagen, was 24 Jupitertagen entspricht. Die einzelnen Bilder wurden im Abstand von knapp 10 Stunden zur jeweils gleichen Jupiter-Tageszeit aufgenommen. - Schön zu sehen sind die Dynamik der einzelnen Sturmbänder sowie die Rotation des darin eingebetteten "Großen Roten Flecks". Bei den zwischendurch kurz sichtbaren "Bildstörungen" handelt es sich um die Passagen der Jupitermonde IO und EUROPA und deren Schattenwürfe auf den Planeten.
Die neuen, dreidimensionalen Modelle ergaben, dass sich die brodelnden Sturmsysteme des Gasplaneten bis zu 7.000 Kilometer in die Tiefe erstrecken, wo die einzelnen Sturmbänder in der Übergangszone der Gase in den metallischen Zustand von kleinräumigen Verwirbelungen angetrieben werden. Diese Verwirbelungen werden ihrerseits durch Konvektion aus noch tieferen Schichten ausgelöst, in denen die dort metallisch reagierenden Gasmassen elektrischer Leitfähigkeit unterliegen. Diese Leitfähigkeit hat jedoch zur Folge, dass das starke Magnetfeld des Planeten die Bewegung der inneren Gasschichten gegenüber den "freien" Schichten der oberen Atmosphäre wie eine Wirbelstrombremse hemmt. Dadurch kommt es an der Grenzschicht sprunghaft zu großen Geschwindigkeitsunterschieden, wodurch gewaltige Turbulenzen ausgelöst werden. Weitere Faktoren wie Rotation und Planetenkrümmung sorgen nun dafür, dass sich die ursprüngliche Konvektionsenergie je nach Breitengrad in Gestalt von mehr oder weniger schmalen, jedoch extrem schnellen, bereits auf engstem Raum in entgegengesetzte Richtungen verlaufenden Windbändern organisiert. Die Obergrenzen dieser gigantischen Jetströme sind als farbenprächtige Bänder und Gürtel orkangepeitschter Ammoniakwolken für uns sichtbar und verleihen der Wolkendecke des Planeten ihre so bizarren Strukturen.
Freitag, 11.11.05, 15:40 Uhr