Fruchtbarkeit und Leben am Nil
© Bildmontage: 2005 by Jürgen Vollmer, Marburg
Die Hundstage gehen bis auf das alte Ägypten im 3. Jahrtausend v. Chr. zurück und bezeichneten dort die "Rückkehr" des Fixsterns "Sirius", Hauptstern im Sternbild "Großer Hund", an den Morgenhimmel. Sie sind daher in erster Linie keine meteorologische, sondern eine astronomische Singularität. Nachdem Sirius zuvor wochenlang unsichtbar mit der Sonne am Taghimmel stand, konnte er an den Ufern des Nils gegen Ende der ersten Julidekade erstmals in der sich erhebenden Morgendämmerung wieder erspäht werden. Das gleiche Ereignis wurde später von den Griechen als "heliakischer Aufgang" bezeichnet, was so viel wie "mit der Sonne" bedeutet.
Die Wiederkehr des Sirius galt entlang des Nils als sicheres Vorzeichen der nahenden, alljährlichen Sommer-Nilschwemme, die Schlamm und damit Fruchtbarkeit und Segen über die Felder entlang des Flusses brachte. Diese tausende von Kilometern weiter stromauf durch die zentralafrikanische Regenzeit verursachte, erste Hochwasserwelle des Jahres rollte stets in der zweiten Julihälfte, zur Zeit der größten Sommerhitze, den Fluss hinab und ergoß sich schließlich ins Mittelmeer. Durch das Zusammenspiel von Sonnenhöchststand und Regenzeit im Quellgebiet des Stroms mit dem scheinbaren Lauf des Sirius am Sternenhimmel hat die Benennung "Hundstage" im entfernteren Sinn also durchaus auch etwas mit dem Wetter, genauer gesagt: mit den Folgen von Wetter zu tun ...
Die Römer sahen die Wiederkehr des Sirius übrigens schon deutlich später, nämlich erst in der letzten Julidekade und aus dieser Zeit stammt auch die noch heute gültige Festlegung des Beginns der Hundstage am 23. Juli. Heutzutage erscheint Sirius sogar erst Ende August wieder am Morgenhimmel, so dass die Hundstage - streng astronomisch gesehen - eigentlich auch erst Ende August beginnen dürften.
Ursache für diese Verzögerung ist die so genannte "Präzession" der Erdachse, die wie ein Kreisel durchs Weltall torkelt und für eine "Kreiseldrehung" etwa 25.780 Jahre benötigt. Dadurch verschieben sich auch die Gestirne und Sternbilder im Lauf der Jahrtausende am Himmel scheinbar mit, so dass nach 13.000 Jahren die typischen Wintersternbilder an den nächtlichen Sommerhimmel und die klassischen Sommersternbilder an den Sternenhimmel im Winter gewandert sein werden. Nach weiteren 13.000 Jahren, also nach insgesamt rund 26.000 Jahren wird der Präzessions-Zyklus abgeschlossen sein und Sirius sodann an den Ufern des Nils wieder wie einst in der Antike, nämlich Anfang Juli erscheinen.
Wie meistens, bei derartigen Überlieferungen bleiben die Bezüge zu den allein jahreszeit- bzw. sonnenstandsabhängigen Witterungsfolgen natürlich unverändert, d.h. der Nil hat sein Hochwasser seit den Tagen des Pyramidenbaus nicht mitverschoben und so kommt es, dass die Nilschwemme in Ägypten, würde dies der inzwischen errichtete Assuan-Staudamm nicht verhindern, auch heutzutage noch - genau wie früher auch - kurz nach der Sommersonnenwende Mitte Juli, inzwischen also schon fast 2 Monate vor der tatsächlichen Wiederkehr des Sirius, eintreten würde. - Und weil diese Zeit im Hochsommer nunmal auch bei uns die heißesten Tage des Jahres einzuleiten pflegt, verbinden wir Europäer mit dem Begriff "Hundstage" nunmal schon immer auch die Zeit der größten Sommerhitze.
Das Sternbild "Großer Hund" mit seinem Hauptstern "Sirius"
Himmelsansicht des Sternbilds "Großer Hund" im Winter in Blickrichtung Süd - erstellt mit HNSKY
Die Dauer der Hundstage erklärt sich übrigens - damals wie heute - durch die Tatsache, dass vom ersten Auftauchen des Sirius in der Morgendämmerung bis zum vollständigen Erscheinen des gesamten Sternbilds rund ein Monat vergeht. Denn die meisten anderen Sterne des Großen Hunds werden zu diesem Zeitpunkt vom Licht der Sonne noch überstrahlt oder sind teils noch gar nicht aufgegangen. Erst rund ein Monat nach der Wiederkehr des Sirius ist der Abstand zwischen der Sonne und dem Sternbild in seiner Gesamtheit groß genug, dass auch alle Sterne des Großen Hunds, also auch die lichtschwächeren Hundssterne, am Morgenhimmel vor dem Sonnenaufgang sichtbar sind.
Der Beginn der Hundstage markierte im alten Ägypten übrigens auch den Beginn des Neuen Jahres, weil die sommerlichen Überschwemmungen des Stroms, welche fruchtbaren Schlamm über die dörrenden Felder spülten, zur heißesten Zeit des Jahres nicht nur das lebenswichtige Wasser bescherten, sondern weil sie auch die Ufer des Flusses reinigten und damit zugleich einen neuen Wachstums- und Lebenszyklus einleiteten.
Die alten Griechen entwickelten für den Zusammenhang zwischen der Wiederkehr des Sirius und den Tagen der größten Sommerhitze übrigens eine ganz eigene, höchst phantsasievolle Erklärung: Danach sei die Verschmelzung des Lichts der Sonne mit dem Feuer des gleißend hell funkelnden Sirius die Ursache der großen Hitze. Und arabische Astronomen erklärten die in flirrender Sommerhitze besonders häufigen Fata Morganen gar als den "vom Himmel tropfenden Speichel des Hundssterns". - Heutzutage machen sich die Menschen kaum noch Gedanken über den astronomischen Ursprung der Hundstage. Sie sind vielmehr zum gewohnten, alljährlich wiederkehrenden Witterungsereignis geworden, das uns nunmal meistens auch die größte Hitze des Sommers beschert ...
Jürgen Vollmer
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