Benachbarte Rote Zwergsonne als Schnellläufer
Reiner Boulnois
Volkssternwarte Marburg e.V.
Astronomisch startet in diesem Jahr der Sommer wegen des Schalttags im Februar schon am 20. Juni um 22.51 Uhr MESZ. Exakt zu diesem Zeitpunkt befindet sich die Sonne in ihrer Höchststellung nördlich des Äquators und leitet damit die sogenannte Sommersonnenwende im Sternbild Stier ein. Etwa 11 Stunden später wechselt sie in das im Tierkreis folgende Sternbild Zwillinge. Dagegen beginnt das meteorologische Sommerquartal tatsächlich schon mit dem Monatsanfang.
Während des ganzen Monats können wir die Zeit der "Hellen Nächte" genießen, was einerseits beim Blick nach Norden in einen noch schwach aufgehellten Dämmerungshorizont bei angenehmen Temperaturen romantische Gefühle wecken kann. Andererseits wird naturgemäß die Beobachtung von lichtschwächeren Himmelsobjekten allerdings stark beeinträchtig. Über diesem noch schwach aufgehellten nördlichen Horizont lassen sich zusätzlich hin und wieder auffällig golden bis blauweißstrahlende, hauchdünne Wolkenschleier beobachten, die so genannten "Leuchtenden Nachtwolken". Diese entstehen durch die Reflexion von Sonnenlicht an Eiskristallen in der Stratosphäre in rund 80 Kilometer Höhe. Weiterhin zeigt unser Tagesgestirn während des Aktivitätsmaximums im laufenden Sonnenfleckenzyklus auffallend viele Protuberanzen und Sonnenflecken. Die Länge des lichten Tages variiert im Monatsverlauf kaum und beträgt theoretisch über 16 Stunden.
Am Monatsanfang bewegt sich die schmale abnehmende Mondsichel am Morgenhimmel zwischen den beiden fast gleich hellen Planeten Saturn und Mars und am Morgen des 3. Juni geht der Mond dann nördlich am Roten Planeten vorbei. Am Abend des 21. Juni beginnt die kürzeste Vollmondnacht in diesem Jahr. Da die Vollmondphase nur etwa 30 Stunden nach der Sommersonnenwende erreicht wird, findet man den Mond in maximaler Südbreite. Außerdem nimmt die Mondbahn in diesem Jahr ihre Extremlage ein, die seit alters her als sogenannte "Große Mondwende" bezeichnet wird. Das bedeutet, dass der Mond noch einmal 10 Monddurchmesser südlicher steht als die Sonne zur Wintersonnenwende. Daher zieht der uns sehr groß erscheinende Vollmond in dieser Nacht so flach über den Südhorizont wie seit 18 Jahren nicht mehr. Am Morgenhimmel des 28. Juni steht der Erdtrabant östlich vom Ringplaneten Saturn, wohingegen der im Osten dichter über dem Horizont stehende Mars erst wieder Anfang des nächsten Monats Besuch von der abnehmenden Mondsichel erhält. Diese und beide Planeten bewegen sich dabei im Bereich der typischen Herbststernbilder um das sogenannte Herbstviereck mit Pegasus und Andromeda.
Während des ganzen Monats Juni sind Merkur und Venus für das bloße Auge nicht sichtbar, wobei am 4. Juni unser innerer Nachbarplanet von der Sonne bedeckt wird. Auch der Planet Jupiter bleibt im Verlauf dieses Monats in der Morgendämmerung über dem Nordosthorizont noch recht unauffällig. Der rote Planet Mars verlängert bis zum Monatsende seine Sichtbarkeit nur geringfügig auf zwei Stunden und verschwindet dann schon wieder in der aufgehellten Morgendämmerung. In diesem Monat wird der Ringplanet Saturn langsam ein wunderschönes Beobachtungsobjekt. In Teleskopen kann in der Zeit vor der Morgendämmerung das nur noch wenig geöffnete, trotzdem noch immer eindrucksvolle Ringsystem mit der auffälligen dunklen Cassinischen Teilung bestaunt und der Umlauf von helleren Saturnmonden verfolgt werden.
Die Frühlingssternbilder sind nun deutlich nach Westen gerückt, während am Osthimmel das Sommerdreieck mit den auffälligen Sternen Wega in der Leier, Deneb im Schwan und Atair im Adler aufzieht. Tief im Süden macht sich das Sternbild Skorpion mit dem rötlichen Überriesenstern Antares bemerkbar, der in diesem Monat vom Vollmond besucht wird. Einen sehr großen Bereich am Südhimmel nehmen die beiden, seit der Antike zusammengehörigen Sternbilder Schlangenträger und Schlange ein, wobei der Schlangenträger astronomisch als das 13. Tierkreissternbild gilt, da sich die Sonne scheinbar vom 30.11. bis zum 18.12. durch diesen Teil der Ekliptik bewegt. Es gibt in beiden Sternbildern keine auffällig helleren Sterne.
Auf eine Besonderheit soll aber hier hingewiesen werden, denn schon mit einem Fernglas kann der viertnächste Stern zu unserem Sonnensystem erspäht werden. Es handelt sich dabei um einen Roten Zwergstern, der ab seiner Entdeckung 1916 nach dem Entdecker als Barnards Pfeilstern benannt wurde. Denn er erwies sich als der Stern mit der größten Eigenbewegung an unserem Sternhimmel. Wie ausgeprägt diese ist, lässt sich der Zusatzgrafik entnehmen. In weniger als 200 Jahren verändert sich seine Position um etwa einen Vollmonddurchmesser, was sicher nicht die Bezeichnung Fixstern rechtfertigt. Genauere Beobachtungen lassen schon nach einem Jahrzehnt die rasche Bewegung nach Norden erkennen.
Dieser Stern nähert sich in den nächsten 10.000 Jahren von jetzt 5,9 auf dann 3,9 Lichtjahren zu unserem Sonnensystem. Interessanterweise ist diese Zwergsonne bereits vor fast 12 Milliarden Jahren mit weniger als einem Zehntel an Elementen schwerer als Helium entstanden, kann noch bis zu einer Billion Jahren weiter existieren und rotiert sehr langsam um die eigene Achse und befindet sich nur zufällig recht nahe.
Die Milchstraße ist erst nach Mitternacht in Richtung Südosten beeindruckend, denn man schaut dann in den Sternbildern Adler, Schütze und Skorpion in die Regionen mit den dichtesten hellen Sternwolken und den durch lichtabsorbierenden Staub gekennzeichneten Dunkelnebeln unserer Heimatgalaxie. Es lohnt, mit einem Fernglas oder kleinen Fernrohr diese Bereiche in Ruhe zu bestaunen. Die sogenannte Sternenuhr zeigt den Großen Wagen auf den Weg zum Abstieg in nordwestlicher Richtung, während das "Himmels-W" den Aufstieg über dem nordöstlichen Horizont beginnt.
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